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Das Christentum kennt wie auch andere Hochreligionen das Pilgern. Es gehörte von Anfang an dazu, auch wenn es im christlichen Bereich, anders als beispielsweise im Islam, nie eine fundamentale Verpflichtung zur Pilgerfahrt gegeben hat. Schon die ersten Christen suchten die Stätten des Wirkens Jesu auf. Allgemein versteht man unter dem Begriff „Pilgern“ das religiös motivierte Unterwegssein zu einem Ort besonderer Heilsvermittlung.

Hier wird es nur um das Pilgern im Abendland, in der lateinisch geprägten Christenheit, gehen. Die Frage, inwieweit Pilgern als Wandern zu heiligen Orten ein Heimatrecht in der evangelischen, besonders in der lutherischen Kirche hat, muss dabei ausführlicher behandelt werden (siehe 4. Pilgern in der Evangelischen Kirche). Denn im Protestantismus wurde dem Pilgergedanken durch die Reformation weitestgehend der Boden entzogen.

Unsere heutigen Wörter „Pilger“, „pilgern“ usw. gehen zurück auf das althochdeutsche Wort „piligrim“. Dieses leitet sich wiederum her von „pelegrinus“, einem Wort aus dem mittelalterlichen (Kirchen-) Latein, eine Abwandlung von „peregrinus“ des klassischen Lateins. Das dazugehörige Verb ist „peregrinari“.

„Peregrinus“ setzt sich zusammen aus den beiden Wörtern „per“ (über, durch) und „ager“ (Acker). Ein Pilger, ein „peregrinus“, ist sonach jemand, der „über den Acker“ (per ager), also durch das Land, über das Land, in die Fremde geht. „Peregrinari“ heißt folglich, „pilgern“, „wandern“, „unterwegs sein“, „in der Fremde sein“. Mit „peregrinus“ bezeichnete man aber auch denjenigen, der im Exil war.

Der „peregrinus“ war also zunächst einfach nur der „Fremde“, der aus seiner angestammten Umgebung ausbrach, seinen angestammten Lebensraum verließ oder verlassen musste; anfangs rechtlos, später ausgestattet mit dem Anspruch auf Schutz und „heilige“ Gastfreundschaft. Eine spezifisch religiöse Bedeutung hatten die Wörter „peregrinus“ oder „peregrinari“ ursprünglich nicht. Erst im Laufe des Mittelalters galt nur noch derjenige als der „peregrinus“, der unterwegs zu heiligen Stätten war. Der Begriff erfuhr sogar eine weitere Einengung, als man mit ihm schließlich speziell denjenigen bezeichnete, der zum Heiligen Jakobus nach Santiago de Compostela pilgerte. So schreibt Dante Alighieri, der Schöpfer der „Göttlichen Komödie“, zum Ende des 13. Jahrhunderts: „Peregrini können in zweierlei Weise verstanden werden, in einem weiteren und einem engeren Sinne: im weiteren, insofern Peregrino jeder ist, der außerhalb seiner Heimat weilt, im engeren Sinne versteht man unter Peregrino nur, wer zum Haus des Heiligen Jakob (nach Compostela) geht und von dort wieder zurückkehrt.“ (Vita Nuova XLI)

Eine im allgemeinen Sprachgebrauch weitgehend gleiche Bedeutung wie "Pilgern", bzw. "Pilgerfahrt" hat Wallfahrt. Dies Wort leitet sich her von dem althochdeutschen Wort "wallen", was gleichfalls in die Fremde reisen bedeutet, vornehmlich aus religiösen Gründen. "Wallfahrt" meint aber hingegen häufig den Besuch eines Heiligen Ortes in der näheren Umgebung, während eine Pilgerfahrt auf ein eher weiter entfernt gelegenes Ziel gerichtet ist. Zudem steht der Begriff "Wallfahrt" enger in Bezug zur katholischen Frömmigkeit. Zur eigentlichen Wallfahrt gehören bestimmte Riten wie Gottesdienste, Gebete, Reliquien- und Gnadenverehrung, sowie vor allem Prozessionen. Der Begriff "Wallfahrt" ist daher lange Zeit stark konfessionell geprägt gewesen. Im katholischen Bereich waren "Wallfahrt" und "Prozession" auswechselbare, aber positiv besetzte Begriffe, während "Wallfahrt" im evangelischen Bereich stark negativ besetzt war. Ein wichtiger Akzentunterschied zwischen "Wallfahrt" und "Pilgerfahrt" besteht heutzutage vielleicht darin, dass "Wallfahrt" stärker das Ziel, "Pilgerfahrt" stärker den Weg betont.

Das Bedürfnis, sich auf den Weg zu machen und dabei eine spirituelle Erfahrung zu suchen, also auf „Pilgerfahrt“ zu gehen, scheint bei der über alle Kulturgrenzen, Zeiten und Religionen hinausreichenden Bedeutung so etwas wie eine anthropologische oder religiöse Konstante zu sein. Der Weg ist ein Symbol für das Leben, den „Lebensweg“, schlechthin. Anselm Grün schreibt: „Weg als Metapher für unser Leben umgreift alles, was uns begegnet und geschieht, was wir erkunden und erleiden, was wir entwerfen und erreichen. Etwas bewegt uns. Wir setzen uns in Bewegung, wir haben Beweggründe und handeln verwegen. Wir wandeln Wege und deshalb wandeln wir uns. Weggefährten gehen mit uns. Wegzehrung brauchen wir und Wegweiser. Was wir ausgeschritten haben, wird uns zur Erfahrung. Wir setzen etwas in Gang, wollen Fortschritt und Wandel.“ (Anselm Grün: Auf dem Wege. Zu einer Theologie des Wanderns, Münsterschwarzach 2002, 9. Auflage, Seite 8) Schon nach dem Apostel Paulus befindet sich ein Christ zeitlebens auf einer Pilgerfahrt: „Wir sind nun allezeit getrost und wissen, dass wir, während wir im Leibe daheim sind, fern vom Herrn auf der Wanderung (auf Pilgerfahrt) sind“ (2. Korinther 5,6).

Vielleicht liegt im Weg als dem starken Symbol für das Unterwegssein im Leben auch begründet, das Pilgern inzwischen ebenfalls in den evangelischen Kirchen und sogar über die religiöse Welt hinaus immer mehr Anhänger gewinnt. In jeder Religion lebt der Archetyp des Pilgers! Wer sich auf den Weg macht, begibt sich auf die Suche nach seinem Leben, sucht sich in einer Welt, die selbst immer schneller im Wandel begriffen scheint.

Quelle: (Andreas Litzke) www.evlka.de